Joachim Grünhagen               Dämmerstunde

* 1928

© beim Autor                                       Nun findest du dein Warten Hingesunken,

Verwirrend wie ein sonnenferner Traum

Am blaugetönten späten Wolkensaum.

Dein Tag verweht, stiehlt deines Lachens Funken.

 

Du wandre in den großen Dunkenraum

Und atme neue Hoffnung silbertrunken.

Schon hat der Mond die Stunde eingewunken,

Doch Abschied düstert über deinem Traum.

 

Und trinke noch, und atme und verlasse

Den trauten weg, den Abendstern erfasse,

Dein Sehnen wird die Nacht, dein Beten sein.

 

Verwische nicht die Sehnsucht, sie allein

Ist heller als die abendliche Gasse.

Verweile nicht, die dunkle Stadt verlasse.

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Grünhagen               Des Jahres letzte Schicht

* 1928

© beim Autor                                       Die Sonne leistet schon Verzicht.

Es ist nicht leicht das Feld zu räumen,

Wo wir noch still vom Strandkorb träumen.

Das Jahr macht seine letzte Schicht.

 

Nur spärlich hängt noch Laub an Bäumen,

Sie rüsten stumm zur Winterschicht,

Bevor der erste Frost sie sticht

Und werden schon vom Nächstlenz träumen.

 

Wir schieben Hüte auf den Scheitel.

Nebel kriechen klamm, und bald

Sind wir vergrippt und nicht mehr eitel.

 

Den Pfützen wird die Haut schon kalt,

Der Tag schleicht bläßlich wie ein Greis.

Jetzt steigt gewiß der Pillenpreis!

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Grünhagen               Deutschdeutsches Sonett

* 1928

© beim Autor                                       Hallo, Deutschland eins und Deutschland zwei!

Liebe Brüder, Schwestern, hüben, drüben.

Die Mauer fiel, nun dürft Ihr Freiheit üben,

Damit der Osten wie der Westen sei.

 

Neue Eintracht zählt nicht zweierlei,

Mit Beschränkung grenzfrei denken üben,

Offen reden lernt in kleinen Schüben,

Dann ist kein neues Risiko dabei.

 

Fleiß und Ehrlichkeit im Recht auf Einheit,

Lerne, deutscher Bürger, diese Feinheit,

Quasi ohne Stasi, nicht wie gestern.

 

Doch dient dem Mammon nie, ihr Brüder, Schwestern,

Währung, Kaufkraft sollen nicht allein

Glück der schwarzrotgoldnen Bindung sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Grünhagen               Homo Darwinicus

* 1928

© beim Autor                                       Wir sind zu eitel geworden,

Wir haben zu viel gelernt

Und Evas Apfel entkernt.

Wir lernten mit Liebe zu morden.

 

Wir haben viel Zukunft gepredigt.

Die Gegenwart wird zu kurz,

Wir lernten aus manchem Sturz,

Doch haben zu wenig erledigt.

 

Bei Gott, wir tragen den Kopf

Zuweilen ein wenig zu hoch!

Sind wir zum Herrschen geschaffen?

 

Wir griffen der Welt in den Schopf.

Und Darwin flickte ein Loch

Zwischen uns und den Affen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Grünhagen               Neues Jahr, altes Spiel

* 1928

© beim Autor                                       Das alte Jahr wird lärmvoll ausgelobt.

Inzwischen hat der Mensch dazugelernt.

Nur Frieden nicht, der ist noch weit entfernt.

Ein Krieger bleibt am liebsten kampferprobt.

 

Schon immer hat der Mensch sich ausgetobt.

Von Kindheit an manch faule Frucht entkernt,

Statt Kriegen nur das Kriegsspiel recht erlernt.

Ach, hätt’ er doch Humaneres geprobt!

 

Und wieder wird ein neues Jahr begangen.

Und abermals der alte lärm erneuert,

Lautstark, was kracht und stinkt, gefeuert.

 

Es kann der Mensch am Frieden ehrlich hangen!

Doch wenn er knallt und Antikrieg beteuert,

Bleibts Widerspuch. Er hat sich nicht erneuert.

 

 

 

 

 

 

 

 

Joachim Grünhagen               Später Sommer

* 1928

© beim Autor                                       Du hast kaum von der Ewigkeit getrunken.

Der Kelch ruht kühl in deiner heißen Hand.

Noch soll der Sommer schäumen bis zum Rand,

Sein Lachen perlen hell von Sternenfunken.

 

Gieß ein die Zeit, die körnige aus Sand.

Der Kelch nimmt hin den Tag, der eingesunken

Im blanken Grund sich weidet sonnetrunken,

Und freue dich des Lichts, das zu dir fand.

 

Du stehst vor Abschied dann und Neubeginn,

Begreifst den unbenannten späten Tag

Schon als frühes Maß von Ewigkeit.

 

Nun lerst du Dank für einen Tropfen Zeit,

Der auf dem Grunde deines Wähnens lag

Als deiner kleinen Ewigkeit Gewinn.